Angst ist eine universelle Emotion, die in unterschiedlichsten Situationen auftritt und
verschiedene Funktionen erfüllen kann. Ihre Auswirkungen sind weitreichend und
beeinflussen sowohl unser persönliches Leben als auch unsere zwischenmenschlichen
Beziehungen. Es gibt unterschiedliche Funktionen der Angst in Beziehungen, bei Wut auf
den Partner, als Aufmerksamkeitserreger für persönliche Entwicklungen und als
Informationsquelle für Bedürfnisse und Grenzen. Oft können diese unterschiedlichen
Zugangsweisen dafür sorgen, dass die Angst nicht losgelassen werden kann, bzw. die
Betroffenen die Angst gar nicht loslassen wollen.
Die Funktion der Angst in Beziehungen
Nähe und Abstand durch Angstverhalten
Angst kann in Beziehungen sowohl Nähe als auch Abstand erzeugen. Wenn wir Angst
empfinden, suchen wir oft Trost und Unterstützung bei unserem Partner. Diese Nähe wird
durch die Rolle des Partners als Helfer, Beruhiger und Beschützer verstärkt. Der Partner kann
durch sein unterstützendes Verhalten dazu beitragen, die Angst zu lindern und ein Gefühl
der Sicherheit zu vermitteln. Dadurch entstehen eine tiefere emotionale Bindung und ein
Gefühl der Intimität. Allerdings wieder mit dem Nachteil, dass die Angst bleibt.
Auf der anderen Seite können Angstsymptome auch als Puffer dienen, der den Kontakt und
die Entwicklung in der Beziehung blockiert. Wenn jemand beispielsweise starke Ängste hat,
kann dies dazu führen, dass er sich zurückzieht und Abstand sucht. Dieser Abstand kann eine
Schutzmaßnahme sein, um sich vor den beängstigenden Gefühlen zu schützen, aber
gleichzeitig verhindert er auch eine tiefere Verbindung zum Partner, als Schutz vor dem
Partner.
Funktion der Angst bei Wut auf den Partner und Angst vor den Konsequenzen
Panikattacken und Angstzustände als Lösungsversuch
Ein besonders interessantes Phänomen ist die Funktion der Angst bei Wut auf den Partner
und die Angst vor den Konsequenzen dieser Wut. Panikattacken können in solchen
Situationen als Lösungsversuch dienen. Wenn jemand Wut auf seinen Partner verspürt, aber
gleichzeitig Angst vor den möglichen Konsequenzen wie Verlust oder Trennung hat, können
Panikattacken als Schutzmechanismus auftreten. Diese Panikattacken stoppen den
drohenden Konflikt, da die Person gezwungen ist, sich auf ihre Angst und die damit
verbundenen körperlichen Symptome zu konzentrieren.
In diesem Sinne sorgt die Angst dafür, dass der Partner als Bezugsperson erhalten bleibt.
Anstatt den Konflikt auszutragen, wird er durch die Angst verdrängt und vermieden. Dies
kann kurzfristig den Frieden in der Beziehung bewahren, langfristig jedoch dazu führen, dass
ungelöste Konflikte und unausgesprochene Emotionen die Beziehung belasten.
Funktion der Angst als Aufmerksamkeiterreger für Entwicklung
Angst als Indikator für Veränderung
Angst und Panik können auch als Zeichen für anstehende persönliche Entwicklungen und
Veränderungen dienen. Oft treten diese Gefühle auf, wenn wir vor wichtigen
Lebensentscheidungen stehen oder wenn wir uns in einer Phase des Wandels befinden.
Diese Angst kann uns darauf hinweisen, dass Veränderungen notwendig sind, die wir
vielleicht schon länger aufgeschoben haben.
Beispielsweise kann jemand, der Angst vor einer beruflichen Veränderung hat, dies als Signal
sehen, dass es an der Zeit ist, sich neuen Herausforderungen zu stellen oder alte
Gewohnheiten zu überdenken. Die Angst rückt die anstehende Veränderung in den
Vordergrund und zwingt uns, uns mit ihr auseinanderzusetzen. In diesem Kontext kann Angst
als Katalysator für persönliches Wachstum und Entwicklung wirken, indem sie uns dazu
drängt, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Auch kann es ein Hinweis darauf sein die
Partnerschaft zu überdenken.
Funktion der Angst als Info für Bedürfnisse und Grenzenbewahrer
Schutz vor Grenzüberschreitungen
Angst und Panik können auch eine wichtige Schutzfunktion erfüllen, indem sie uns vor
Grenzüberschreitungen bewahren. Sie dienen als Indikatoren dafür, dass unsere
körperlichen, geistigen oder emotionalen Grenzen erreicht oder überschritten wurden. In
solchen Fällen kann die Angst uns dazu zwingen, eine Pause einzulegen und uns zu erholen,
bevor wir uns weiteren Herausforderungen stellen.
Diese Schutzfunktion ist besonders wichtig, wenn wir mit den Forderungen anderer oder mit
zu hohen Ansprüchen an uns selbst konfrontiert sind. Die Angst ermöglicht es uns, ein „nicht
können“ zu akzeptieren und uns vor Überforderung zu schützen. Sie gibt uns die Erlaubnis,
uns zurückzuziehen und uns zu regenerieren, ohne das Gefühl zu haben, dass wir versagt
haben. Dadurch schützt sie uns vor zu viel Nähe und ermöglicht es uns, Verantwortung zu
übernehmen, ohne uns dabei selbst zu überfordern.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Funktionen der Angst sind vielfältig und komplex. Sie kann in Beziehungen sowohl Nähe
als auch Abstand erzeugen, als Schutzmechanismus bei Konflikten dienen, uns auf
notwendige Veränderungen hinweisen und unsere Bedürfnisse und Grenzen bewahren.
Durch das Verständnis dieser unterschiedlichen Funktionen können wir lernen, mit unserer
Angst besser umzugehen und sie als wertvolle Informationsquelle zu nutzen.
Es ist wichtig zu erkennen, dass Angst nicht immer negativ ist. Sie kann uns wertvolle
Hinweise geben und uns dabei helfen, uns selbst und unsere Beziehungen besser zu verstehen.
Indem wir uns unserer Angst bewusst werden und lernen, sie zu akzeptieren,
können wir sie als Instrument für persönliches Wachstum und Entwicklung nutzen.
Therapeutische Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) können dabei helfen, die
verschiedenen Funktionen der Angst zu erkennen und konstruktiv mit ihr umzugehen. Durch
die Arbeit mit einem Therapeuten können wir lernen, unsere negativen Gedankenmuster zu
verändern, körperliche Symptome zu managen und positive Verhaltensweisen zu
entwickeln.
Insgesamt zeigt sich, dass Angst eine vielschichtige Emotion ist, die weit mehr als nur
negative Auswirkungen hat. Sie kann uns schützen, uns auf Veränderungen hinweisen und
uns dabei helfen, unsere Beziehungen und unser Leben bewusster und achtsamer zu
gestalten. Indem wir uns mit den Funktionen der Angst auseinandersetzen, können wir einen
neuen, positiven Umgang mit dieser mächtigen Emotion finden und unser Leben bereichern.